Viele talentierte Künstlerinnen, darunter auch Wiener Musikerin Eli Preiß, äußerten sich in letzter Zeit zunehmend zu den Missständen, mit denen sie in der Musikbranche regelmäßig konfrontiert werden. Trotzdem gibt es immer wieder Stimmen, die ihnen die Erfahrung dieser Diskriminierung aufgrund von Unwissenheit und Ungläubigkeit absprechen. Als offene, kreative und bunte Szene sollten wir es uns als Ziel setzen, gemeinsam gegen die strukturelle Diskriminierung von Frauen in der Musikindustrie zu arbeiten, um so unseren Beitrag zur Verbesserung der Gesamtsituation zu leisten.
Kunst und Musik sind für alle Menschen und sollten daher auch von allen gemacht werden, denn nicht nur männliche Stimmen und Einflüsse sind es Wert gehört zu werden.
Um die Thematik auch für Menschen, die nicht direkt betroffen sind, verständlicher zu machen, möchten wir euch hier einige der Gründe vorstellen, weshalb Gleichberechtigung in der Musikbranche zwar längst überfällig ist, jedoch noch bei weitem nicht erreicht wurde.
Frauen sind in der Musikbranche stark unterrepräsentiert
Dass es der Musikbranche an Inklusivität fehlt, zeigen Studien, die sich mit der Repräsentation von Frauen befassen. Bei beinahe allen bedeutenden Meilensteinen, die für Künstler*innen als Erfolg gelten, sind Männer in einem deutlichen Ausmaß stärker vertreten.
Dieses Ungleichgewicht betrifft jedoch nicht nur messbare Erfolge, sondern zeigt sich auch im Allgemeinen:
Es gibt einfach mehr männliche Artists als weibliche, das gleiche Muster gilt ebenfalls für andere Berufe am Set und hinter den Kulissen. Einige Zahlen, um das Ausmaß dieses Phänomens zu verdeutlichen:
1 von 37 Producer*innen ist eine Frau.
Das Verhältnis von erfolgreichen Künstlern zu erfolgreichen Künstlerinnen liegt bei 3 zu 1. Von
800 erfolgreichen Songs stammen weniger als 1% von rein weiblichen Songwriterinnen.
Um festzustellen, dass dieses Phänomen auch nicht im deutschsprachigen Raum präsent ist, genügt ein Blick auf das diesjährige Splash! Lineup oder die Modus Mio Playlist. Trotz der Fortschritte der letzten Jahre, wird die Musikbranche nach wie vor von Männern dominiert, und der Großteil der besonders erfolgreichen Künstler ist ebenfalls männlich.
Okay, na und? Dann machen halt mehr Männer Musik, ist ja kein Problem, oder?
Naja, doch.
Denn der Grund dafür, dass Frauen unterrepräsentiert sind, liegt nämlich nicht darin,
dass sie weniger Interesse an Musik haben, oder dass Männer den Job besser machen. Der
eigentliche Grund liegt darin, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts mit erschwerten
Einstiegschancen konfrontiert werden und oft für die gleiche Arbeit nur einen Bruchteil der
Anerkennung und des Gehalts erhalten. Dies führt zu einem Teufelskreis, denn je weniger Frauen der Einstieg in die Branche ermöglicht wird, desto weniger Frauen sind in ihr vertreten, und daraufhin verstärkt sich das Phänomen weiter.
„Männer haben es leichter“
Wenn darüber gesprochen wird, dass es Frauen in der Musikbranche schwerer haben als ihre männlichen Kollegen, ist vielen nicht ganz klar, wieso eigentlich. Frauen, die Musik machen, erleben täglich strukturelle Diskriminierung, also eine Form von Diskriminierung, die in der gesamten Gesellschaft stattfindet. Dass es Frauen oft von außen erschwert wird, in einer männerdominierten Branche Fuß zu fassen, kann sehr viele verschiedene Gründe haben, die tief in unserem Denken verwurzelt sind und teilweise zusammenhängen können.
Mangelnde Sichtbarkeit kann ein möglicher Grund sein, weshalb von klein auf weniger Frauen diesen Beruf überhaupt für sich in Betracht ziehen. Wenn in der Musikbranche wenig Frauen als Künstlerinnen, Songwriterinnen, Produzentinnen oder in Führungspositionen vertreten sind, fehlt es jungen Mädchen an weiblichen Vorbildern, die sie dazu ermutigen, selbst in diesem Bereich aktiv zu werden.
Gleichzeitig ist Frauenfeindlichkeit im Hip-Hop ein offen diskutiertes Thema, das eine eigene Analyse erfordert. Wenn der Ton, mit dem über Frauen gesprochen wird, in der Form ausgeprägt ist, wie im HipHop und Deutschrap, trägt das nicht dazu bei, dass sich die Szene inklusiv und offen präsentiert und sich Frauen in der Branche bestärkt fühlen.
Wie es sich anfühlt, als eine der wenigen Frauen auf einem Festival aufzutreten, nachdem sich männliche Künstler zuvor in ihren Songs abfällig über Frauen geäußert haben, sei jetzt ebenfalls mal dahingestellt.
Hinzu kommt, dass in unserer Gesellschaft immer noch bestimmte Stereotype und Vorurteile
darüber herrschen, welche Rollen Männer und Frauen in verschiedenen Bereichen einnehmen sollten. In der Musikindustrie werden Frauen oft auf das Image der reinen Popstars oder reinen Sängerinnen reduziert. Diese Stereotype können dazu führen, dass Frauen weniger Chancen erhalten, in verschiedenen Bereichen der Musikindustrie tätig zu sein oder dass sie im Vorhinein aufgrund ihres Geschlechts unterschätzt werden und sich deshalb zusätzlich beweisen müssen, um Anerkennung für ihre Arbeit zu erhalten.
Die weibliche DJs muss sich z.B. häufiger Kommentare zum Thema „Frauen und Technik“ anhören, als ihr männlicher Kollege und es braucht länger, bis jeder um sie herum anerkennt, dass sie genauso kompetent ist.
Genauso werdet ihr bei euren Lieblingsrappern weniger Kommentare über ihr Gewicht, ihre Kleidung oder Äußerlichkeiten im Allgemeinen finden als bei eurer Lieblingskünstlerin. Dies liegt daran, dass Frauen dem Druck ausgesetzt sind, dem vermeintlichen Idealbild der Gesellschaft von 'Frau sein' entsprechen zu müssen.
Dadurch werden Frauen häufig auf ihr Äußeres reduziert. Dieser zusätzliche Druck nimmt den Fokus von der Person und ihrer Arbeit weg.
Zusätzlich werden die Interessen von Frauen automatisch weniger vertreten, wenn diese in einem Berufsfeld unterrepräsentiert sind. Das können banale Kleinigkeiten sein, die einzeln betrachtet, nicht schwerwiegend erscheinen, aber den Berufsalltag für Frauen dennoch erschweren können.
Ein vereinfachtes Beispiel sind die dreckigen Festivaltoiletten, die für keinen Künstler (oder Besucher) angenehm sind, für jemanden, der im Stehen pinkelt, jedoch weniger problematisch. Wenn es nur eine einzige Frau am Set gibt, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass darauf geachtet wird.
Zusätzlich besteht die Musikbranche, wie die meisten Arbeitsumfelder auch, aus Machtgefügen und denjenigen, die sie ausnutzen. Machtmissbrauch und sexueller Missbrauch gegen Frauen sind ein ernstzunehmendes Problem in der Szene.
Die Musikindustrie ist keine Ausnahme von den systematischen Ungerechtigkeiten und Machtstrukturen, die in unserer Gesellschaft existieren.
Frauen in der Musikbranche werden zudem mit ungleicher Bezahlung konfrontiert. Im Durchschnitt verdienen Künstlerinnen, Musikerinnen und Schauspielerinnen für dieselbe Arbeit etwa 25 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen !
Aber wieso die ganze Zeit darauf rumreiten? Ich dachte ihr wollt nicht auf euer Geschlecht reduziert werden?
Klar, Frauen, die arbeiten, möchten, wie jeder andere, aufgrund ihrer Leistung bewertet und nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden. Tatsache ist aber, dass diese Missstände existieren und, wenn Betroffene den Mut haben, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen, heißt das nicht, dass sie eine Extrabehandlung wollen oder darauf rumreiten, dass es Frauen schwerer haben. Sie wollen und sollen als Künstlerinnen gesehen werden und gleichzeitig darüber aufklären, dass Dinge in dieser Branche ablaufen, die nicht in Ordnung sind und geändert werden müssen.
Gleiche Chancen für Frauen und Männer gibt es nun mal noch nicht und der einzige Weg, daran etwas zu ändern, ist darüber zu sprechen.
In den letzten Jahren hat sich in der Musikbranche unglaublich viel getan und verbessert, und einige Probleme können aufgrund ihrer strukturellen Hintergründe nicht von heute auf morgen gelöst werden.
Es wird Zeit brauchen, bis wir uns so weit entwickelt haben, dass es keine Probleme mehr
für Frauen in der Musikbranche gibt. Dennoch ist es wichtig, darauf aufmerksam zu machen und ein allgemeines Verständnis für das Problem zu schaffen.
Frauen auf der Bühne bedeutet mehr Frauen auf der Bühne.
Wir sind auf einem sehr guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel.
Disclaimer: Dieser Artikel bezieht sich vor allem auf weiblich gelesene Personen. Wir bei A&A sind uns bewusst, dass es noch unzählige weitere Formen der Diskrimierung gibt, sei es durch Hintergründe wie Hautfarbe, Herkunft, Religionszugehörigkeit, sex. Orientierung etc. Diese sind auf gleicher Ebene verwerflich und müssen in gleichem Maße aufgearbeitet werden!
Wir möchten uns aktiv für eine offene und inklusive Szene einsetzen, in der sich jeder aufgehoben und wohl fühlt.
Bist du selbst betroffen und möchtest deine Erfahrungen teilen, anderen Betroffenen eine Stimme geben oder hast Anregungen, Ideen und Verbesserungsvorschläge?
Melde dich gerne unter: contact@aarecordsofficial.com .
Wir freuen uns auch jederzeit über weibliche Teammitglieder & Künstlerinnen in unserem Team!
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